Lasst mich raus! Proximate Faktoren, die helfendes Verhalten bei Schweinen vermitteln.
Kontakt: Liza Rose Moscovice, Ph.D.
Laufzeit: 2023-2026
Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft
Zusammenfassung:
Prosoziales Verhalten, d.h. Handlungen, die anderen zugutekommen, sind beim Menschen weit verbreitet und werden durch genetische, kognitive und neuroendokrine Anpassungen vermittelt, die die Sorge um das Wohlergehen anderer fördern. Prosoziales Verhalten kommt auch bei Tieren vor, aber es ist wenig bekannt über die zugrundeliegenden Mechanismen und inwieweit bei Tieren und Menschen die gleichen emotionalen oder kognitiven Anpassungen Prosozialität fördern. Helfende Verhaltensweisen, bei denen ein Individuum einem anderen ermöglicht, ein ansonsten unerreichbares Ziel zu erreichen, sind besonders interessant, da sie beim Menschen mit Empathie in Verbindung gebracht werden. Nutztiere sind soziale Tiere, bei denen die Sensibilität für die emotionalen Zustände anderer Tiere ihr Wohlergehen beeinflusst. Insbesondere Schweine sind aufgrund ihrer physiologischen und neuroanatomischen Ähnlichkeiten mit Menschen eine vielversprechende Spezies für die Untersuchung von prosozialem Verhalten. Schweine zeigen Anzeichen für emotionale Ansteckung, indem sie ihr eigenes Verhalten sowie ihre physiologischen und/oder kognitiven Reaktionen aufgrund der emotionalen Äußerungen von Artgenossen verändern, und das spontaner Auftreten von Rettungsverhalten bei Wildschweinen deutet darauf hin, dass Schweine auch in der Lage sind, einander zu helfen. Das Ziel unseres Projekts ist die Identifikation von Faktoren, die spontanes Hilfsverhalten in Gruppen von Schweinen vermitteln. Wir haben ein Paradigma entwickelt, bei dem Schweine spontan lernen können, eine Tür in einem helfenden Kontext zu öffnen, in dem sie einen in einem Abteil gefangenen Partner befreien, oder in einem nicht-helfenden Kontext, in dem sie eine Tür zu einem identischen, leeren Abteil öffnen. Wir testen Schweine in sozialen Gruppen in ihrer gewohnten Umgebung, was den Tieren die Wahl lässt, ob, wann und wem sie helfen. Im ersten Teil des Projekts werden wir diesen Ansatz nutzen, um den Einfluss des individuellen Phänotyps und der Erfahrung des Helfers, des Stressniveaus und der sozialen Aufforderung durch das eingesperrte Schwein, der sozialen Beziehungen und der Rolle des sozialen Kontakts bei der Beeinflussung des Hilfsverhaltens zu bewerten. Im zweiten Teil des Projekts werden wir nicht-invasive Methoden einsetzen, um physiologische Veränderungen bei potenziellen Helfern zu messen, während sie in Echtzeit entscheiden, ob sie ihren Partnern Hilfe leisten oder nicht. In helfenden und nicht helfenden Kontexten werden wir Veränderungen des Speichelcortisols als Indikator für Erregung, die Herzfrequenzvariabilität als Maß für soziales Engagement und Veränderungen des Speicheloxytocins als Indikator für prosoziale Motivation messen. Durch die Messung des Verhaltens und der physiologischen Reaktionen von Schweinen, die Hilfe benötigen, und von Schweinen, die sich dafür entscheiden, zu helfen, und durch die Berücksichtigung des Einflusses individueller, kontextueller und relationaler Faktoren wird unser Paradigma neue Erkenntnisse über die proximate Faktoren liefern, die spontanes Hilfsverhalten in einem neuartigen Tiermodell vermitteln. Unser Projekt hat auch Auswirkungen auf den Tierschutz, da es klärt, wie prosoziales Verhalten die Ausbreitung von positiven oder negativen sozialen Verhaltensweisen innerhalb von Tiergruppen beeinflussen kann.
Schlüsselwörter:
Prosozialität, Empathie, Altruismus, Helfen, Sus scrofa domesticus, soziale Beziehung, Disstress, Cortisol, Oxytocin, Herzfrequenzvariabilität.