Tiere unterscheiden sich in der quantitativen wie auch qualitativen Ausprägung ihrer Merkmale (Biodiversität) wie z.B. in der Körpergröße oder der Anzahl von Nachkommen und in ihrer Fähigkeit sich an wechselnde Umweltbedingungen (Umgebungstemperatur, Futterzusammensetzung, Nahrungsrestriktion) mehr oder weniger erfolgreich anzupassen (Adaptation).
Solche Unterschiede finden sich zwischen Individuen einer Herkunft, aber auch zwischen Rassen und Arten und sind die Folge von natürlicher und züchterischer Selektion. Wichtige Stellgrößen für Biodiversität und Adaptationsfähigkeit liegen bereits im prä- und früh-postnatalen Leben, weshalb Prozesse der Ontogenese und Prägung in die Betrachtung mit einbezogen werden. Dieser Programmbereich beleuchtet die grundlegenden genetischen, epigenetischen und physiologischen Mechanismen der Anpassung auf der Ebene von Individuen (Adaptation) und Populationen (Biodiversität) und darüber hinaus die funktionellen Annotation der Nutztiergenome und statistische und bioinformatische Modelle zur Schätzung genetischer Effekte, um eine nachhaltige Bewirtschaftung und Nutzung der Vielfalt unserer Nutztiere zu gewährleisten.
Exogene und endogene Faktoren (wie z. B. Stress und Ernährung) können in sensiblen Phasen der pränatalen und früh-postnatalen Entwicklung Adaptationsprozesse auslösen, welche die Ausprägung des Phenotyps und damit Gesundheit und Wohlbefinden des Individuums mittel- und langfristig beeinflussen. Ziel des Clusters „Ontogenese und Prägung“ ist es, die molekularen, epigenetischen und physiologischen Grundlagen dieser Plastizität aufzuklären und modulierende Faktoren sowie Zeitfenster für mögliche Interventionen in verschiedenen (Nutztier-)Spezies zu identifizieren.
Die Projekte im Cluster fokussieren auf die Identifizierung physiologischer und genetischer Vielfalt und die damit direkt in Beziehung stehende Anpassungskapazität in selektierten Populationen landwirtschaftlicher Nutztiere und im Modelltier. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen einerseits die Aufklärung konkreter Auswirkungen von Selektion auf den Phänotyp und andererseits der Nachweis von Variation entlang der Genotyp-Phänotyp-Abbildung sowie die funktionelle Beschreibung der Interaktion zwischen Genotyp und Phänotyp. Im Ergebnis der Untersuchungen steht ein besseres Verständnis des Zusammenhangs genetischer und phänotypischer Mechanismen der Adaptation von Nutztieren in Bezug auf Stressreaktivität, Fruchtbarkeit, Stoffwechselbelastung und Leistung wie Wachstum und Milchproduktion. Unter Nutzung verschiedener Mausmodelle werden nutztierrelevante Merkmale wie hohe Fruchtbarkeit und Wurfgröße, metabolisch gesunde Adipositas, Interaktion zwischen Energiestoffwechsel, Reproduktion, Lebensdauer und Körpergewicht molekular- und genombiologisch aufgeklärt und feinkartiert.
Ein besseres Verständnis des Genoms, des Einflusses der Zucht auf die Erbsubstanz einer Population und der Beziehungen zwischen Genotyp und Phänotyp sind für eine nachhaltige Entwicklung und Erhaltung von Nutztierpopulationen notwendig. Das Cluster vereint Projekte, die die funktionale Annotation von Nutztiergenomen, Modelle zur Schätzung von genetischer Varianz und Interaktionseffekten in Tierpopulationen und die Etablierung von statistischen und biophysikalischen Modellen einbeziehen. Die Modelle bringen die genetische Variation mit mechanistischen Konsequenzen für die Zelle sowie physiologischen und Verhaltensphänotypen in Verbindung. Eine qualitativ hochwertige funktionale Annotation der Nutztiergenome wird die Schätzung von Interaktionseffekten unterstützen und ist für eine Interpretation der Ergebnisse aus Assoziationsstudien sowie zur Etablierung von Hypothesen über physiologische Mechanismen, die der phänotypischen Variation zugrunde liegen, unverzichtbar.