Dummerstorfer Nutztierforscher suchen nach Ursachen für unterschiedliche Futterverwertung von Milch- und Fleischrindern

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und erklären, warum solche Ergebnisse auch von Bedeutung für den Tierschutz und die Schonung der natürlichen Ressourcen sind

Zwei Kühe erhalten je einen Eimer Futter gleichen Inhalts. Die eine nutzt dieses Futter, um Milch zu produzieren, die andere setzt daraus Körpersubstanz (Muskulatur, Fettgewebe) an. Warum ist das so? Im Grunde können weder Wissenschaftler noch Landwirte diese Frage richtig beantworten. Trotzdem nutzen Landwirte seit langem und aller Orten dieses Phänomen, um gezielt Milch oder Fleisch zu erzeugen. Derzeit unternehmen Wissenschaftler vom Forschungsinstitut für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere (FBN) in Dummerstorf bei Rostock einen auf über zehn Jahre angelegten Versuch, um dem Rätsel auf die Spur zu kommen.

Zur Erforschung der Grundlagen von Unterschieden im Nährstoffumsatz ist eine umfangreiche, in Deutschland einzigartige Rinderfamilie geschaffen worden. Sie geht aus der Kreuzung von zwei sehr unterschiedlichen Rinderrassen hervor: während Charolais-Rinder das aufgenommene Futter dazu nutzen, mehr Körpersubstanz anzusetzen und weniger Milch zu produzieren, erzeugen Deutsche Holstein-Rinder aus dem gleichen Futter bis zu dreimal soviel Milch, setzen aber weniger Fleisch an. Weil beim Aufbau der Kreuzungsfamilie gezielt Embryotransfer eingesetzt worden ist, stehen für vergleichende Schlüsseluntersuchungen in der zweiten Nachkommen- oder F2-Generation Gruppen mit besonders zahlreichen Vollgeschwistern zur Verfügung. Innerhalb dieser Vollgeschwistergruppen sind Tiere vorhanden, die trotz identischer Eltern enorme Unterschiede in Erscheinung und Leistungsvermögen besitzen. Ein Vollbruder mag dunkel gefärbt, leicht und von zartem Körperbau sein, während ein anderer hell-gefleckt, muskelbepackt und mit einem robusten Körperbau ausgestattet ist. Solche Unterschiede machen die Tiere zu einem idealen Untersuchungsgegenstand für die Forschung über die genetischen und physiologischen Grundlagen des Nährstoffumsatzes. Im FBN untersuchen Genetiker, Molekularbiologen, Fortpflanzungs-, Muskel- und Ernährungsphysiologen nach einem gemeinsamen Forschungsplan diese besondere Rinderfamilie. Sie erfassen Wachstumsmerkmale ebenso wie Gewebe-, Hormon- und Enzymparameter und untersuchen Proteom, Transkriptom und Einzelheiten der Genstruktur. Diese ganzheitlich umfassende Charakterisierung der Tiere zusammen mit der besonderen Familienstruktur macht die Dummerstorfer Rinderfamilie zu einem international beachteten Untersuchungsmaterial, das weltweit kaum Parallelen findet.

Frau Dr. Christa Kühn, die im FBN die Konzeption und Organisation des Langzeitversuches maßgeblich koordiniert, erklärt, warum es wichtig ist, der Frage nach Nährstoffumsatz grundlegend und mit soviel Einsatz nachzugehen:

„Die Forschung an der Dummerstorfer Rinderfamilie leistet einen Beitrag, um die Gene und physiologischen Regulationskreise zu identifizieren, die für die unterschiedliche Merkmalsausprägung verantwortlich sind. Sobald man diese kennt, ist es auch möglich, den Bedarf von Rindern an adäquate Fütterung und Haltung besser bestimmen zu können. Solche Ergebnisse erhalten in Anbetracht zunehmender Anforderungen an die Tierproduktion hinsichtlich Tierschutz/Tiergesundheit, Ressourcenschonung und verbrauchergerechte Lebensmittel wesentliche Bedeutung. Tieren nur die Leistung abzuverlangen, zu der sie veranlagt sind, ist nicht nur eine Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Tiergesundheit sondern darüber hinaus wesentliches Grundprinzip des Tierschutzes und damit auch genuines Anliegen der Tierzüchter. Ein genaueres Wissen um die genetische Veranlagung zur Milch- und Fleischleistung und um die daran beteiligten physiologischen Regulationskreise führt zu objektiveren Kriterien für einen effektiven Tierschutz.

Wenn Rinder entsprechend ihrer Veranlagung eingesetzt werden, so verhindert dies zum einen nicht nur eine Überforderung der Tiere, sondern damit wird auch zum anderen einen Beitrag zur ressourcenschonenden Tierzucht und -haltung erbracht. Denn Nutztiere, die zum Erbringen einer bestimmten Leistung, sei es Milch- oder Fleischproduktion besonders günstige Voraussetzungen mitbringen, benötigen dazu weniger Ressourcen.“ Dr. Christa Kühn legt wert darauf, dass diese Schlussfolgerung von genereller Gültigkeit ist, auch unabhängig davon, ob man Lebensmittel tierischen Ursprungs unter den Bedingungen des ökologischen oder konventionellen Landbaus erzeugen möchte.

Darüber hinaus zeichnen sich Tiere durch eine stabile Stoffwechsellage aus, wenn sie gemäß ihrer genetischen Veranlagung optimal eingesetzt werden. Dies führt auch dazu, dass sie weniger krankheitsanfällig sind. Dadurch wird die Qualität der tierischen Lebensmittel gesteigert. Nimmt die Krankheitshäufigkeit der Tiere ab, verringert sich nicht nur automatisch der Einsatz von Arzneimitteln und reduziert dadurch deren Rückstandsproblematik in Lebensmitteln, sondern mindert auch die Gefahr der Übertragung von ´Zooanthroponosen´, das sind Infektionskrankheiten deren Erreger vom Tier auf Menschen übertragbar sind, durch tierische Lebensmittel.

Das FBN gehört zur Leibniz-Gemeinschaft, einem Zusammenschluss von 80 außeruniversitären Wissenschaftseinrichtungen. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 12.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie arbeiten nachfrageorientiert und interdisziplinär und sind von überregionaler Bedeutung. Da sie Vorhaben im gesamtstaatlichen Interesse betreiben, werden sie von Bund und Ländern gemeinsam gefördert.

Foto: F2-Vollgeschwister aus der für die Untersuchungen erstellten Kreuzungsfamilie

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